Hazreti Mevlana Rumi
Ein Versuch, sich seiner Großartigkeit und seinen Gedanken über die Astrologie zu nähern!
2. Sei mitleidig und barmherzig wie die Sonne
3. Sei wie die Nacht beim Bedecken der Fehler anderer
4. Sei wie ein Toter bei Wut und Erregung
5. Sei bescheiden und schlicht wie die Erde
6. Sei wie das Meer vergebend und nachsichtig
7. Entweder zeig dich wie du bist, oder sei so wie du Dich zeigst
(Mevlana Rumi, Madschalis-i Sab’a - Die sieben Sitzungen)
Mevlana Dschalal ad-Din Muhammad Rumi
- ein Erleuchteter, Liebender, Poet, ein Meister und der Höhepunkt der islamischen Spiritualität -
Geboren am 30. September 1207 in Balch, Afghanistan
Verstorben am 17. Dezember 1273 in Konya, Türkei
In mystischen Kreisen wird Rumi, wie er oft nur kurz genannt wird, als religiöse Ikone, als Nachkomme der Seele des Propheten Muhammad (Friede und Segen seien auf ihm) verehrt, als der Enthüller der Schönheit des Heilligen Korans, als entscheidende Stimme auf dem Weg zur höchsten Form der Liebe. Nicht umsonst trägt Mevlana Rumi in der westlichen Welt den Titel „Prophet der Liebe“. Christen nannten ihn sogar zu seinen Lebzeiten den zweiten Christus, erfuhren sie durch ihn, wie sich die Liebe Jesu angefühlt hätte.
Er ist der leuchtende Stern in der islamischen Mystik, ein erhabener Dichter, ein meisterhafter Geschichtenerzähler, der über alle Religionen hinweg, Menschen mit seiner Poesie zur Liebe einlud, zu seinen Lehren, zum Sufitum, zog und noch zieht - für mich persönlich das wahre Gesicht des Islams.
Rumis Zeilen erreichen die ganze Welt, weil sie nicht trennen, sondern verbinden und sind sie nicht an Raum und Zeit gebunden, klingen sie nach für die Ewigkeit.
Seine Geschichten sind Balsam für suchende und blutende Herzen, kreisen nicht nur auf der Zunge, sondern wirbeln und drehen sich auf der Seele, machen trunken. Es ist dieser spirituelle Rausch, für den man bereit sein muss und der einem die tiefe Schönheit seiner Werke erst offenbart.
Rumis Gedichte sind von besonderer Wort-Komposition und -Rhythmik. Ja all seine Verse enthalten eine Art mystische Choreographie. So muss man Rumis Zeilen stets zu Ende lesen und wird dabei auf eine innere Reise mitgenommen, dabei von der Fülle seiner Weisheiten, Farbgestaltung und Tiefe seiner Sprachgewalt überwältigt.
Rumis berühmtesten Werke sind:
- Matnawi (Masnawi)
- Fihi Ma Fihi
- Diwan-e Schams (Divan-i Kebir)
- Rubaiyat (Divan-i Rubai)
Aufschlussreich sind auch Mevlanas 147 Briefe (Mektubat), die er an Verwandte, Freunde oder politische Führungspersönlichkeiten schrieb. Seine sieben Sitzungen/Ratschläge, genannt Madschalis-i Sab’a, werden auch oft zitiert (siehe oben).
Rumis Poesie, seine längeren Gedichte im Diwan-e Schams, aber auch seine kurzen Vierzeiler (Rubaiyat), lassen einen in immer wieder neue emotionale, ja auch göttliche Zustände eintauchen. Sie spiegeln das Gefühl einer mystischen Trunkenheit besonders wieder und zeigen in jeder Zeile neue Facetten der Seele auf.
Sein Matnawi-Werk ist in Tatsächlichkeit ein Leitfaden für das Herz, für die, die verstehen wollen. Und mit Rumi wird klar: Wir sind nicht Teil des Ganzen, sondern das Ganze befindet sich in uns. In diesen geistvollen Zweizeilern lässt Mevlana Seelenbilder mal durch einen König, durch einen Ritter oder einen Bettler entstehen, durch eine Prinzessin, einen Löwen, einen Skorpion oder Frosch; mal benutzt er dafür die Venus, Jupiter oder den Ring Saturns. Höhere Seinsfragen oder Gedanken über die Liebe werden mit Gleichnissen aus dem Leben beschrieben und ganz märchenhaft versinnbildlicht.
Sein berühmtes Buch Fihi Ma Fihi, das von der Islamwissenschaftlerin Annemarie Schimmel mit dem Titel „Von Allem und vom Einen“ ins Deutsche übersetzt wurde, bietet so viele Antworten auf Fragen zum Leben, aber eben auch Gründe, alle Fragen und Antworten zu hinterfragen. Ein komplexes Werk, dass das innere Auge sensibilisiert und den Leser lehrt, Gott (den Einen) in Allem zu erkennen. Fesseln der Ängste lösen sich letztlich auf, je tiefer der Leser den Sinn in Rumis Zeilen erfasst.
Sich auf Mevlana einzulassen, ist ein Heilungsbad für das Gemüt und für die Seele, denn Rumis Dichtungen bewegen sich alle aus tiefster Demut und Liebe für den Schöpfer, sie lösen sich schlussendlich aber in der Seele des Lesers selbst auf. Den letzten Schlüssel zum Verinnerlichen dieser so göttlichen und mystischen Poesie belässt Rumi immer beim Leser. Eine Dichtkunst, die er - wie kein anderer auf Erden - auf unglaubliche Weise umsetzen konnte und perfektionierte.
Von Rumis Mantel der Einsicht berührt und erwärmt zu werden, bedeutet nicht nur, beide Welten - die sichtbare und die unsichtbare - in seiner Brust umarmen zu können, sondern sein Bewusstsein zu schärfen, sich seiner selbst bewusster zu werden.
Rumis Mantel, ein Gewand der Frömmigkeit, erinnert außerdem daran, wie wichtig es ist, sich vor seinem eigenen Ego zu schützen, nicht der Sünde zu verfallen, wie der Arroganz, der Eitelkeit oder dem Stolz.
Seine Bücher, Werke des Lichts und der Liebe, bieten Suchenden Rat, Schutz, Wärme, geistige Nahrung, schenken Gottvertrauen und Hoffnung, aber noch viel wichtiger: Sie erziehen, polieren, lassen reifen. Rumis Erzählungen werden zur Mutter, zum Vater, zum Lehrer, Freund und Spiegel der eigenen Seele, die ihren Ursprung sucht.
Für mich ist es eigentlich kaum möglich, die Person und Großartigkeit Mevlana Rumis in Worte zu fassen. Zu Rumis Wirken und Lehren findet sich aber in den Dokumenten der UNESCO, die 2007 als das Rumi-Jahr ausriefen, eine schöne Formulierung:
„Rumis Werke, Gedanken und Lehren zeugen über alle nationalen, kulturellen und zivilisatorischen Grenzen hinweg von den süßen Geheimnissen der göttlichen Wahrheit. Sein religiöses Denken und Verständnis sind eine beispielhafte Manifestation einer transzendentalen Schule der göttlichen Botschaft.“
Mit anderen Worten: Rumi ging nicht nur durch die Schule des Feuers, Rumi wurde Feuer. Er selbst beschreibt es mit: "Hamdim, pisdim, yandim", zu deutsch: "ich war roh, wurde gekocht, dann verbrannt."
Auf dass viele Seelen seinen Lehren mit Mut folgen und Erleuchtung finden.
Auf dass viele Herzen zu ihm nach Konya pilgern,
zu einer Ortschaft -
in der einst zwei Ozeane der Weisheiten aufeinandertrafen,
in der sich alle Facetten einer Seele im Wasser des Seins spiegelten,
in der ein Neumond durch die Sonne Erfüllung fand,
in der das Entwerden sich manifestierte, um zu Werden,
in der die Lehre der Ich-Auflösung und des Nichtseins geschrieben wurde,
in der sich nicht nur Wind und Feuer bekannten, sondern eine Flamme entfachte, die für die Unendlichkeit brennt,
in der von oben empfangen wurde, um Erde zu beleben, die Liebe den Tod besiegte...
Rumi & Schams
Es ist die karmische Begegnung mit dem Mystiker Schams-e Tabrizi, genannt Schams, was auf arabisch: die Sonne bedeutet, die Dschalal ad-Din Muhammads Leben von Grund auf verändern soll, die einen islamischen Religionsgelehrten, der zu Lebzeiten mit "Hüdavendigar" (=exzellenter Führer) oder "Mevlana" (=Meister) angesprochen wurde, in einen verliebten Poeten, in Rumi eben, verwandelt.
Durch Schams wird Rumi den Weg des Feuers erst passieren - eine epische Reise, auf der er sich völlig der Wahrheit zuwendet, seinen Geist mit Liebe erhebt und das eigene Ego abwirft. Im absoluten Zauber der Mystik, im vollkommenen Lichte Schams, beginnt Rumi, sich um seine eigene Achse zu drehen, wie es Derwische noch heute tun.
Der Sema
Sema wird das Drehritual der Derwische (Semazen) genannt. Sema bedeutet „lauschen, in sich hören“. Wird beim Drehen ein ekstatischer Zustand erreicht, ist der Semazen offen für göttliche Eingebungen.
Das Drehen der Semazen ist voller Symbolik. Man sei sich einmal bewusst: Alles, was auf der Erde existiert, dreht sich, denn alles setzt sich aus rotierenden Elektronen, Protonen und Neutronen zusammen, die im Atom umeinanderkreisen. Der Mensch lebt durch den Wirbel dieser Teilchen, durch die Zirkulation des Blutes in seinem Körper, durch die Abfolge der Phasen seines Lebens und nicht zuletzt durch seine Abstammung von der Erde und seine Rückkehr zu ihr.
Sema lehrt die Kunst der Lebensbalance und vollkommenen Harmonie. Sema verwurzelt den Menschen mit der Erde und lässt ihn den Himmel berühren - Körper, Geist und Seele wirbeln und finden dabei den Weg zum Herzen.
Während des Semas öffnet der Derwisch seine Arme. Die rechte Hand zeigt nach oben. Der Semazen fängt damit Gottes Segen auf, der vom Himmel herabfällt. Mit der linken - gesenkten - Hand leitet der Semazen den Segen an die Erde und die Menschen weiter. Der Derwisch empfängt Liebe und umschließt die Menschheit in Liebe. Er dreht sich dabei - wie fast all unsere Planeten sich um die Sonne drehen - auch gegen den Uhrzeigersinn, von rechts nach links, zum eigenen Selbst, zur Tiefe des Herzens, wo sich nach mystischem Verständnis das Haus Gottes befindet. Die spirituelle Begegnung mit dem Schöpfer hier ist das Ziel.
(Übrigens Mystiker selbst würden beim Sema nie von einem Tanz sprechen, sondern eher von einem Dhikr oder von einem Meditationsritual zur Vergegenwärtigung Gottes. Derwische wiederholen nämlich - während sie sich um sich selbst drehen - ständig den Namen Allahs.)
Sema-Kleidung & Choreographie
Das gesamte Drehritual von Derwischen vergegenwärtigt das Sterben und das Wiederauferstehen in Liebe, einen Frühling nach dem Winter.
Zum Sema tragen Derwische einen besonderen Derwisch-Hut, der den Grabstein des Egos darstellt - er wird Sikke genannt und das weiße lange Kleid, das sogenannte Tennure, symbolisiert die Reinheit und gleichzeitig das Leichentuch des Egos.
Bevor Derwische beginnen sich zu drehen, tragen sie oft noch einen schwarzen Mantel über ihre Tennure, der das Grab darstellt. Er wird vor Semabeginn abgelegt, damit die Seele quasi ihre Auferstehung beginnt.
Derwische tragen ferner einen schwarzen Gurt, der ihnen bis zu sieben Mal um die Hüfte gebunden werden kann, die sieben Himmelssphären symbolisierend.
Während des Drehrituals, das auch wirklich bis zu eine Stunde dauern kann, langsam beginnt, dann schneller und ekstatischer wird, halten Derwische ihren Kopf etwas geneigt, nicht nur aus Demut, sondern weil es auch hilft, ihr Gleichgewicht besser zu halten und ihnen nicht schwindelig wird.
Der Sema wird von mystischer Musik begleitet, einer sogenannten Ney-Flöte und leichten Trommelklängen.
Alles an Derwischen, dem Sema-Ritual oder an der Musik selbst hat eine höhere Bedeutung und kann je nach Ordensgemeinschaft auch in ihren Charakterzügen etwas variieren.
Was aber alle Derwische gemeinsam haben: Den Wunsch, Schmerz und Tod zu überwinden und sich, allem Weltlichen entsagend, mit dem Schöpfer zu vereinen.
Der Begriff Derwisch selbst kommt übrigens vom persischen „darwis“ und bedeutet Bettler, ein auf der Türschwelle Stehender, ein im übertragenen Sinne in Askese stehender Mönch.
Rumi & die Astrologie
Hinsichtlich der Astrologie schrieb Rumi einst: „Was nützen dir die Sterne und der Blick nach oben, wenn du dein Inneres noch nicht einmal kennst.“
Mevlana Rumi selbst war Sternzeichen Waage und ein wahrer Seher, der in allem Existierenden das Gesicht Gottes erkannte. Er sah die Einheit, nicht die Zweiheit und erklärte: „Wer die Lampe anschaut, sieht die Dualität und damit Vielzahl. Schaut er jedoch das Licht an, so sieht er Einheit.“
Über die Astrologie schrieb Rumi ferner:
„Dieses Wissen über die Sterne gab Allah den Propheten. Um das Verborgene zu sehen, ist ein Auge erforderlich, das diese Sphäre erfassen kann.“
„Erkenne in den Gebeten der Gottessucher die Strahlen aus der Substanz des Prophetentums! Die Strahlen kreisen mit den Substanzen, der Strahl geht zu seinem Ursprung zurück.
Das Schimmern im Fenster wandert um das Haus, denn die Sonne bewegt sich auf der Bahn der Tierkreiszeichen. Wer mit einem Stern verwandt ist, stimmt mit diesem Stern überein.
Wenn sein Aszendent die Venus ist, neigen sich seine Liebe und seine Bedürfnisse zur Freude; Wenn er unter Mars geboren ist, ist sein Wesen Blutvergießen, Krieg, Gemeinheit und Feindschaft. Über den Sternen gibt es Sterne, in denen es keine Feuersbrunst oder schlechte Vorzeichen gibt. Sie bewegen sich in anderen Himmeln, nicht in den allgemein bekannten sieben Himmeln. Sie wohnen dem Strahlen des Gotteslichtes inne, sind weder miteinander verbunden noch getrennt. Wenn dein Schicksal von diesen Sternen bestimmt wird, dann verbrennt und vertreibt deine Seele die Ungläubigen. Dieser Zorn ist nicht wie der Zorn des unter dem Mars Geborenen: Dem Bösen zugewandt und einmal beherrschend, einmal beherrscht. Das vorherrschende Licht zwischen den zwei Fingern des Göttlichen Lichtes ist frei von Mangel und Verfinsterung. Gott hat das Licht über alle Seelen verteilt, doch nur die Glücklichen haben ihr Gewand aufgehalten. Und der Glückliche, der diesen Überfluss an Licht erhalten hat, hat sein Gesicht von allem außer Gott abgewandt. Wer kein solches Gewand der Liebe gehabt hat, bleibt ohne Anteil an diesem geschenkten Überfluss an Licht. …“
„Wenn du dich mit aufrichtigem Herzen vor Gott verneigst, wirst du von den Sternen befreit und für Gott heilig. Bist du ein Heiliger, öffne ich meinen Mund und verrate dir Geheimnisse.“
Bedeutet im Kern: Wer sich von der Astrologie beherrschen lässt, bleibt bei den Sternen und damit bei der Pflege seiner Nafs. Wer aber darüberhinaus eifert, d.h. seinen Glauben aktiv pflegt und seinen Meister (seine Schams-Sonne) findet, kann sich wirklich dem Schöpfer nähern. Der wahre Gläubige beherrscht die Sterne und nicht umgekehrt.
Rumis Nachlass zum Tod
In seinen letzten Stunden auf Erden lehrte Rumi seinen engen Freund Qadi Siraj al-Din folgendes Gebet, das er in schweren Zeiten aufsagen solle:
„Oh Herr! Gib mir keine Krankheit,
die mich Deine Erinnerung (den dhikr) vergessen lässt,
meine Zuneigung für Dich auslöscht,
vom Genuss, den ich empfinde, wenn ich Dich lobe, trennt,
noch eine Gesundheit, die mich verführt,
Schlechtes und Böses in mir vermehrt.
O, Du Barmherzigster unter denen, die Barmherzigkeit zeigen!
Nimm mein Gebet mit Deiner Barmherzigkeit an.“
Mevlanas letzter Wille (Vasiyet) beinhaltet ebenfalls wichtige Worte - eine Empfehlung - an die Menschheit. Diese Empfehlung ist hier einsehbar.
Seine Zeilen über den Sterbetag (Ölüm günü) sind außerdem weltberühmt. Diese kann man hier lesen.
Rumis eigener Todestag wird Seb-i-Arus genannt, was Hochzeitsnacht bedeutet. Rumi betrachtete den Tag seines Todes als Wiedersehen mit dem Schöpfer, den er in seinen Werken oft „den Geliebten“ nannte. In Konya, wo Rumi die meiste Zeit seines Lebens verbrachte, verstarb und begraben wurde, finden im Rahmen des Seb-i Arus Festivals beeindruckende Ausstellungen, Vorträge sowie Lesungen statt und Derwische führen den Sema vor für Besucher aus der ganzen Welt.
Auch zu Rumis Geburtstag wird jedes Jahr in Konya ein Mystisches Musikfestival mit diversen Veranstaltungen ausgetragen. Zu den Rumi Festivals und zu Konya findet man hier weitere Infos und ein paar Reisetipps.